Das Jahr 2022 und auch die Jahre davor haben uns gelehrt, dass nichts beständig ist. Die Welt steht von heute auf morgen Kopf. Sei es eine Pandemie. Sei es ein Krieg mitten in Europa. Sei es die Klima-Krise mit Silvester bei knapp 20 Grad, auch das gab es bisher noch nicht. Alles neu.
Auch technologisch hat es 2022 unglaubliche Veränderungen gegeben. Ein Beispiel ist das Text-to-Image KI-Tool midjourney – damit kann man mit Hilfe von künstlicher Intelligenz aus Sprache Bilder erzeugen. Das Titelbild wurde so generiert (vielen Dank an Piratin Martina). Ein weiteres Beispiel der exponentiellen Entwicklungen ist das Update zum KI-Tool “ChatGPT”, ein generatives KI-Sprachmodell (GPT steht für Generalized Pre-trained Transformer), das im Jahr 2020 in der dritten Version (GPT-3) veröffentlicht wurde, und bereits damals erstaunliche Resultate lieferte. Was in diesem Jahr alle total geflasht hat, war die unglaublich hohe Qualität der erzielten Ergebnisse, die zudem sehr einfach produziert werden können für alle, die Zugang zum Internet haben.
Dies hat natürlich extreme Auswirkungen auf den Bildungsbereich. Inbesondere wenn es darum geht, Wissen zu reproduzieren. “ChatGPT” erzeugt in wenigen Minuten und mit wenigen Klicks “fundierte” Texte, die gut lesbar und SEO optimiert sind. Die perfekte Chance also für alle SchülerInnen, Studierenden und auf Zertifikate ausgelegte Lernende, wo es ausschließlich darum geht, Fakten und Daten zu reproduzieren.
Viele ExpertInnen im Bildungsbereich haben genau davor GROSSE Angst. Ich persönlich finde es gar nicht so schlecht. Im Gegenteil, ich freue mich geradezu, weil ein meiner Ansicht nach überholtes und ausgelaufenes Lernparadigma sein Ende findet.
Lernen ist weit mehr als Auswendiglernen und Reproduzieren von Daten & Fakten. Beim Lernen geht es um Empathie, Reflektion, Selbstorganisation, Teamfähigkeit, Mustererkennung, Übertragung von Mustern und systemischen Zusammenhängen auf neue Kontexte und v.a. um ko-kreative Problemlösefähigkeit, bestenfalls in transdisziplinären Teams. All das kann “ChatGPT” (noch) nicht.
Wir haben doch so viele Möglichkeiten, diese Technologien pädagogisch sinnvoll zu nutzen.
Dies beschreibt z.B. Nele Hirsch in ihrem Beitrag zur Einordnung und Nutzung von KI in der Bildung. Ihrer Meinung nach könnten KI-Tools als Suchmaschine eingeordnet werden. Damit müsste das Rad beim pädagogisch sinnvollen Umgang nicht neu erfunden werden.
Ja, stimmt, das ist durchaus eine mögliche Form des pädagogischen Einsatzes. Mir fehlt hier allerdings das Ausschöpfen des enormen Potenzials. Dieses sehe ich v.a. im Fremdspachen-Lernen. “ChatGPT” ermöglicht komplett neue Lernformate beim Erlernen von Fremdsprachen.
Darüber hinaus hat mich der KI-Einsatz im Schulunterricht von Hendrik Haverkamp absolut fasziniert, der hier ausführlich beschrieben wird. Kurzgefasst kann man sagen, dass es darum geht, die KI gezielt zu nutzen, um:
1. Die eigentliche Fragestellung zu präzisieren
2. Die Ergebnisse der KI systematisch zu validieren
3. Die Ergebnisse der KI zu verbessern
Alle drei Aspekte sind meiner Meinung nach EXTREM relevant beim Lernen und dienen dazu, einen zeitgemäßen Umgang mit neuen Technologien zu erlernen. Weiterhin kann man auf diese Weise kontinuierlich das Konzept von Digital Litaracy fördern, das gerade für junge Generationen immer wichtiger werden wird.
Denn:
(1) Die KI-Systeme sind nicht perfekt, sie machen Fehler. Sie kalkulieren aus einer extrem großen Datenmenge die Wahrscheinlichkeit für passende Textpassagen. Das mag sich im ersten Moment gut anhören, ist aber nicht immer korrekt und v.a. von der Qualität der Daten abhängig. Die KI-Systeme ersetzen nicht das menschliche Denken, Analysieren und Ko-Kreieren.
(2) Die KI-Systeme sind nicht in der Lage, die Probleme unserer Welt zu lösen und innovative Konzepte für die Zukunft zu entwickeln.
(3) Das Internet wird bereits in sehr kurzer Zeit überflutet werden mit KI-generiertem Content. Insofern müssen wir uns fragen: Wie kann man diese Technologien auch sinnvoll nutzen? Woran erkennen wir Qualität und Authentizität? Was bleibt beständig? Worauf sollten wir uns zukünftig fokussieren?
Im Kontext Bildung kommen mir folgende Leitfragen für (m)ein erstrebenswertes 2023 in den Sinn:
- Was ist der originäre Bildungsauftrag? Wie fördern wir persönliche Kompetenzen im Zeitalter von KI, IoT, XR und Smart Learning?
- Wie befähigen wir die Menschen, bewusst mit smarten Tools umzugehen sowie gezielt zum Re- und Upskilling zu nutzen?
Meine Antwort darauf ist ziemlich simpel: Der Fokus muss immer auf menschlichen Fähigkeiten und Bedürfnissen liegen. Bei einem meiner Vorträge in 2022 habe ich gefragt, was Lernen eigentlich effektiv macht? Insgesamt haben 339 Personen folgendes beigetragen:

Im Ergebnis findet man unter vielen verschiedenen Faktoren v.a. auch Konzentration, Wiederholung, Ruhe, Learning by Doing und auch Spaß. Und genau darum geht es in der Smart Learning Community, die sich als Do-Tank versteht.
Rückblickend haben die Smart Learning Pirates in 2022 vieles gemeinsam erlebt, sich über ein Jahr hinweg kontinuierlich in Learning Circles ausgetauscht und gegenseitig motiviert, mit neuen Technologien zu experimentieren und Lerninnovationen im beruflichen Alltag zu verankern. Im Futures Literacy Laboratory haben wir uns ausführlich mit Guiding Priciples eines Metaverse for Learnings beschäftigt und in unserem letzten Barcamp haben wir das erste Escape Game im Metaverse gespielt. Dabei haben alle hautnah erlebt, wie physische und virtuelle Welten zunehmend verschwimmen. Anbei ein paar wunderbare Momente aus der Community:











Ziel der Smart Learning Community ist es, wirksame Lernkonzepte zu entwickeln, die neue Technologien nutzen, um das lebenslange Lernen zu verbessern. Es geht darum, den aktuellen Herausfordrungen unserer Zeit (vgl. den Beitrag von David Green auf LinkedIn) zu begegnen. Mit menschenzentrierten, ko-kreativen Ansätzen. Mit “Magic Moments of Learning”, die nachhaltig in Erinnerung bleiben. Ein mega erfolgreicher Beitrag war in diesem Jahr auch der Smart Learning Adventskalender mit über 10.000 Aufrufen. Der Kalender ist vollgepackt mit innovativen Tools, die das Lernen auf ein neues Level heben. 24 x Magic Moments of Learning sind hier in der Kollektion abrufbar.
Danke, liebe Pirates, für so viel Engagement & so viele ko-kreative Lernmomente. Es war ein wunderbar inspirierendes Jahr mit euch.
Bald öffnet die Smart Learning Community erneut ihre Tore. Auch hier gilt: Nichts bleibt wie es ist. Ich habe mir schon längere Zeit vorgenommen, noch mehr Methodik in unsere Workshops einzubauen. Und tadaa: Nach zwei erfolgreichen Durchläufen habe ich das Programm zwischen den Jahren überarbeitet und einen stärkeren Fokus auf Design Thinking & Methoden-Know-How gelegt.
Wir werden in diesem Jahr 3 Mini-Design-Sprints durchführen und mit Hilfe des Smart Learning Toolkits sehr zielgerichtet an der Entwicklung und Gestaltung von Smart Learning Environments arbeiten. Ein finales Barcamp am Ende des Programmes rundet die Learning Journey (mit Zertifizierung) perfekt ab. Also ingesamt 4 Live-Online-Events, um den Transfer in die eigene Praxis noch stärker zu fördern.
Die restlichen Elemente bleiben bestehen wie bisher. Die Online-Lernmodule werden kontinuierlich durch das Smart Learning BINGO innerhalb von Learning Circles begleitet. Nur der Fokus wird in 2023 stärker auf überfachlichen Meta-Skills liegen. Also Empathiefähigkeit (team/ customer/ user-centered needs), Ko-Kreation, Innotavionsfähigkeit und Methodenkompetenz auf Basis von Design Thinking.
Denn das einzige was beständig bleibt, ist der Mensch, der mit menschlichen Bedürfnissen seinen Weg im kontinuierlichen Wandel finden muss. Gemäß dem Piraten Kodex übernehmen die PiratInnen das Ruder und navigieren in engem Austausch mit anderen Peers in Richtung Zukunft. Ich freue mich auf alle neuen Pirates, die in diesem Jahr mit an Bord hüpfen wollen.
Anmelden kann man sich auf smarter-education.de – anbei schonmal das aktualisierte Booklet mit allen näheren Informationen zu Lerninhalten und Ablauf:
PS: KI-Deep-Dives gibt es hier:
- Prof. Dr. Doris Weßels via Hochschulforum Digitalisierung: ChatGPT ist erst der Anfang
- The decoder: Ein Lehrer lässt KI bei Klassenarbeiten zu – das hat er dabei gelernt
- scil: ChatGPT – Einsatz im Unterricht und bei Prüfungen
- Sascha Pallenberg, MeTacheles: Die Tech Trends 2023
- Henning Beck: Die Schwächen von ChatGPD
- Beat Döbeli Honegger, Hochschule Schwyz: ChatGPT & Schule
- Prof. Dr. Christian Spannagel via Hochschulforum Digitalisierung: ChatGPT und die Zukunft des Lernens